Georg Simon Ohm (1789–1845) war kein Kölner. Auch wenn die Kölner Forschung den in Erlangen geborenen Naturwissenschaftler gern für sich beansprucht hat, verbrachte er in Köln lediglich neun Jahre seines Lebens. Relevant ist allerdings, dass Ohm in diesen Jahren das Gesetz für die Leitung elektrischer Ströme formulierte. Diese, seine berühmteste Errungenschaft, das nach ihm benannte Ohmsche Gesetz, ist damit doch eine Kölner Entdeckung bzw. verdankt sich den Kölner Forschungsbedingungen.[1]
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Ohm wurde im August 1817 zum Oberlehrer für Mathematik und Physik am Kölnischen Gymnasium an Marzellen berufen, der neuen preußischen Schule im ehemaligen Jesuitenkolleg. Zwei Monate später nahm er seine Lehrtätigkeit auf. Sein Freund, der Altphilologe Franz Göller (1790–1853), war bereits zuvor von Bamberg an das Gymnasium gewechselt und hatte Ohm im Vorfeld Bericht über die Lage vor Ort erstattet. Obwohl Göller an der Stadt selbst kein gutes Haar gelassen hatte,[2] so hatte er doch umso Positiveres über die Gegebenheiten im ehemaligen Jesuitenkolleg berichtet: Ohms zukünftige Wohnung mit drei Zimmern befand sich in „dem herrlichen Jesuitengebäude“[3] in der Marzellenstraße 32 mit Blick auf den Botanischen Garten. Göllers Beschreibungen des Physikalischen Kabinetts im „wunderschön gelegenen Saal“[4] schienen Ohm seinerseits beinah zu gut, um wahr zu sein, woraufhin Göller versicherte, es sei sogar noch besser als beschrieben.[5]
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Ohms Lehre und Forschung profitierte von den Apparaturen des Physikalischen Kabinetts, das die Grundlage für seine wissenschaftlichen Erfolge bildete. Gleichzeitig war es auch für das Kabinett ein Glücksfall, dass der Forscher sich seiner annahm. Ohm arbeitete sich mit Begeisterung in die Mechanik ein, um die teilweise defekten Apparaturen zu reparieren und zu verbessern.[6] Auch investierte er offenbar Teile seiner Einkünfte in die Erweiterung des Kabinetts.[7] Wenn das Physikalische Kabinett wohl ein maßgeblicher Grund für die Entscheidung Ohms gewesen war, im Jahre 1817 von Bamberg nach Köln zu wechseln, so hatte die Aussicht auf eine Universitätsprofessur offenbar einen weiteren wichtigen Faktor zugunsten Kölns gebildet. Zwar war die alte Universität in Köln 1798 von den Franzosen geschlossen worden, doch gab es inzwischen längst Pläne für die Eröffnung einer neuen rheinischen Universität. Göller, der selbst auf einen Lehrstuhl hoffte,[8] informierte seinen Freund vorab über diese Möglichkeit und befand Kölns Chancen, als Standort ausgewählt zu werden, für gut: „Eher ja als nein!“[9] Doch so kam es nicht. Köln erhielt den erhofften Zuschlag nicht; im November 1818 wurde stattdessen die Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn eröffnet. Als Reaktion auf die verpasste Möglichkeit in Köln reichte Ohm im Dezember 1818 ein Gesuch an das preußische Ministerium für Unterrichtsangelegenheiten mit der Bitte ein, sich „unter die Zahl der um eine Lehrstelle der Mathematik an einer der Landesuniversitäten sich Bewerbenden gnädigst einreihen zu lassen“,[10] jedoch ohne Erfolg.
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Als Lehrer unterrichtete Ohm die drei Oberklassen des Gymnasiums und erfreute sich bei der Schülerschaft großer Beliebtheit.[11] Seine Schüler erwiesen sich als besonders gut ausgebildet,[12] doch ließen immer größere Klassen Ohms Begeisterung für das Lehramt mit der Zeit schwinden.[13] Infolgedessen widmete er sich ab 1825 vor allem physikalischen Experimenten. Mit den Apparaturen des Physikalischen Kabinetts untersuchte er Probleme der Elektrizität und entdeckte schließlich im Januar 1826 das Gesetz der elektrischen Ströme, welches in seiner Schrift Bestimmung des Gesetzes, nach welchem Metalle die Contactelektricität leiten in Schweiggers Journal veröffentlicht wurde.[14] Die Tragweite seiner Entdeckung scheint Ohm sofort begriffen zu haben: Im April 1826 beantragte er Forschungsurlaub für ein Jahr, um im Haushalt seines Bruders Martin Ohm (1792–1872) in Berlin seine „wissenschaftlichen Untersuchungen teils vollenden, teils weiterführen zu können“.[15]
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Das preußische Kultusministerium hatte Ohms Forschungsurlaub im August 1826 bei halbem Gehalt genehmigt, sodass Ohm bereits im folgenden Monat September in Berlin eintraf.[16] Die Hoffnungen, die Ohm mit seiner Anstellung in Köln verbunden hatte, waren nur teilweise erfüllt worden. Zwar hatte das Kabinett seine Erwartungen im Hinblick auf Forschungsmöglichkeiten wohl übertroffen, doch war die ersehnte Professur an einer Universität letztendlich ausgeblieben.[17] In Köln ließ man den geschätzten Oberlehrer nur äußerst ungern fortgehen.
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Mit seinen Forschungsarbeiten im Gepäck kehrte Ohm der Stadt Köln für den Rest seines Lebens den Rücken.[18] Als Gastgeschenk für seine Schwägerin brachte er Echt Kölnisch Wasser mit nach Berlin.[19] Möglicherweise hatte Ohm auch noch etwas Anderes dabei: Im Inventar des Physikalischen Kabinetts von 1829 findet sich unter der Nummer 48 ein „Dreifaches achromatisches Prisma“, laut nebenstehender Bemerkung ein „Stück von Werth“. Dieses Objekt sei nun „nicht mehr vorfindlich, war aber vor dem Abgang des H. Ohm noch vorhanden“.[20] Ob Ohm tatsächlich solchen Gefallen an dem Prisma gefunden hatte, dass er es aus dem Physikalischen Kabinett entwendete und mit nach Berlin nahm, lässt sich heute nicht mehr aufklären. Festzuhalten ist jedoch, dass mit dem Weggang Ohms der stete Bedeutungsverlust des Physikalischen Kabinetts einsetzte.
Anmerkungen
[1] Mehr zur Entdeckung des Ohmschen Gesetzes siehe Ulrich Hauser, Georg Simon Ohm (1789–1854), das Ohmsche Gesetz und das Physikalische Kabinett der alten Kölner Universität, in: Martin Schwarzbach (Hrsg.), Naturwissenschaften und Naturwissenschaftler in Köln zwischen der alten und der neuen Universität (1798–1919) (Studien zur Geschichte der Universität zu Köln 2), Köln / Wien 1985, S. 49–75.
[2] Vgl. Göller an Ohm, Köln 20. September 1817, abgedruckt in: Josef Schnippenkötter, Ohm in Köln. Beiträge zur Geschichte der Mathematik und Physik zu Beginn des 19. Jahrhunderts, in: Kölnischer Geschichtsverein (Hrsg.), Georg Simon Ohm als Lehrer und Forscher in Köln 1817 bis 1826. Festschrift zur 150. Wiederkehr seines Geburtstages, Köln 1939, S. 63–172, hier: S. 94. „[Köln ist] von unbeschreiblich düsterem Eindruck. Die Gegend ist von allem Einladendem entblößt, was einem das Leben angenehm machen kann.“
[3] Göller an Ohm, Köln 20. September 1817, abgedruckt in: Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 94.
[4] Ohm an Göller, Erlangen 30. September 1817, abgedruckt in: Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 98. „Der Apparat, schön vortrefflich! Fast macht Ihre gar zu einladende Schilderung mich ungläubig.“
[5] Vgl. Göller an Ohm, Köln 7. Oktober 1817, abgedruckt in: Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 100.
[6] Vgl. Heinrich von Füchtbauer, „Aber das hat Schweiß gekostet!“ Von Georg Simon Ohms Fortschritten in der „mechanischen Profession“, in: Kölnischer Geschichtsverein (Hrsg.), Georg Simon Ohm als Lehrer und Forscher in Köln 1817 bis 1826, Köln 1939, S. 179–189, hier: S. 180f.
[7] Vgl. Friedrich Karl Kurylo, Georg Simon Ohm. Bändiger der Kraft (Kölner Biographien 6), Köln 1976, o. S.
[8] Vgl. Wilhelm Limper, Das Dreikönigsgymnasium in der preußischen Zeit. Von 1815 bis zum 1. Weltkrieg, in: Dreikönigsgymnasium Köln (Hrsg.), Tricoronatum. Festschrift zur 400-Jahr-Feier des Dreikönigsgymnasiums, Köln 1952, S. 49–78, hier: S. 73.
[9] Göller an Ohm, Köln 20. September 1817, abgedruckt in: Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 95.
[10] Ohm an preußische Ministerium für Unterrichtsangelegenheiten, Dezember 1818, abgedruckt in: Ludwig Hartmann (Hrsg.), Aus Georg Simon Ohms handschriftlichem Nachlass. Briefe, Urkunden und Dokumente, München 1927, S. 60–62.
[11] Vgl. Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 135–137. Für die Anerkennung seiner erfolgreichen Arbeit als Lehrer erhielt er vom Kölner Konsistorium im Jahr 1822 sogar eine Bonuszahlung von 100 Talern, vgl. Hartmann, Nachlass (wie Anm. 10), S. 54.
[12] Vgl. Jonathan Zenneck, Georg Simon Ohm (Deutsches Museum. Abhandlungen und Berichte 11, 2), Berlin 1939, S. 48–50; Vgl. Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 132–135. Zu seinen bekanntesten Schülern gehörten der Mathematiker Peter Gustav Lejeune Dirichlet (1805–1859), der später die Nachfolge von Carl Friedrich Gauß (1777–1855) als Professor der höheren Mathematik in Göttingen antrat, sowie der Mathematiker und Astronom Eduard Heis (1806–1877).
[13] Vgl. Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 145–148.
[14] Vgl. Georg Simon Ohm, Bestimmung des Gesetzes, nach welchem Metalle die Contactelektricität leiten, nebst einem Entwurfe zur Theorie des Voltaischen Apparates und des Schweiggerschen Multiplikators, in: J. S. C. Schweigger (Hrsg.), Journal für Chemie und Physik 46 (1826), S. 137–166.
[15] Der ausführlich begründete Antrag auf Forschungsurlaub findet sich abgedruckt in: Hartmann, Nachlass (wie Anm. 10), S. 65–72, hier: S. 72.
[16] Vgl. Ernst Deuerlein, Georg Simon Ohm 1789–1854. Leben und Wirken des großen Physikers. Zum 150. Geburtstag des bedeutendsten Sohnes der Stadt Erlangen, Erlangen 1939, S. 12.
[17] An der Universität in München erhielt Ohm gegen Ende seines Lebens zunächst 1849 eine außerordentliche, 1852 dann eine ordentliche Professur in Experimentalphysik. Vgl. Schnippenkötter, Ohm (wie Anm. 2), S. 148–168.
[18] Bereits im Mai 1827 bat Ohm um die Entlassung aus dem Kölner Amt und um eine neue Stelle, erst im März 1828 schied er dann endgültig aus seiner Lehrtätigkeit am Kölner Gymnasium aus. Vgl. Füchtbauer, Schweiß (wie Anm. 6), S. 306.
[19] Vgl. Heinrich von Füchtbauer, Georg Simon Ohm. Ein Forscher wächst aus seiner Väter Art, Bonn 1947, S. 152; Kurylo, Ohm (wie Anm. 7), o. S.
[20] Inventar des Physikalischen Kabinetts, 1829. In: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 155A (Gymnasial- und Stiftungsfond (GStF) - Akten), A 361 (Zwei Inventare des sogenannten Physikalischen Kabinetts des Gymnasiums), S. 21.