Auf der Grundlage der theoretischen Schriften wurden im naturwissenschaftlichen Unterricht des Gymnasium Tricoronatum bereits im Verlauf des 17. Jahrhunderts praktische Versuche und Experimente mit Instrumenten durchgeführt. Dafür legten die Jesuiten eine Sammlung mathematischer und physikalischer Instrumente an und setzten sie als Lehr- und Anschauungsmaterial ein. Als didaktische und methodische Basis der Lehre dienten die Theorien jesuitischer Naturforscher wie Christopher Clavius (1538–1612), Christopher Grienberger (1561–1636) und Athanasius Kircher, die alle am Collegium Romanum unter der Anwendung von Instrumenten gelernt und geforscht hatten. Clavius und Grienberger hatten in Rom bereits Ende des 16. Jahrhunderts ein mathematisches Museum angelegt, das Kircher ab den 1630er-Jahren zum späteren Musaeum Kircherianum ausbaute. In Köln diente dieses als Vorbild für die Konzeption einer jesuitischen Lehrsammlung.[13] Das Physikalische Kabinett wurde schließlich im Jahr 1702 gegründet und in späteren Jahresberichten des Kölner Kollegs als Musaeum mathematicum verzeichnet.[14] Dabei handelte es sich um einen eigenen Raum sowohl für die Unterbringung der naturwissenschaftlichen Sammlung als auch für das Studium an den Instrumenten. Es befand sich im zweiten Obergeschoss im Ostflügel des Kolleggebäudes.[15]
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Vor dem Hintergrund dieser Ausstattung wurde der naturwissenschaftliche Unterricht am Tricoronatum im 18. Jahrhundert didaktisch und methodisch praktischer und ebenso strukturierter. Auch in den unteren Klassen gab es nun Mathematikunterricht.[16] Im Jahr 1729 wurde das Kabinett sogar durch eine Sternwarte erweitert, die sich oberhalb des Musaeum befand und durch den Sammlungsraum zu erreichen war. Neben dem Observatorium entstanden im 18. Jahrhundert weitere naturwissenschaftliche Einrichtungen. Dazu gehörten eine eigene mathematisch-physikalische Bibliothek, in der spezifische Fachbücher für die naturwissenschaftliche Lehre aufgestellt wurden, ein chemisches Laboratorium und eine kleine Apotheke. Auch für die anderen Unterrichtsfächer sammelten die Jesuiten vor allem im 18. Jahrhundert Lehr- und Anschauungsmaterialien und verwendeten diese aktiv im Unterricht. So entstand im Gymnasium Tricoronatum im Laufe der Zeit eine umfangreiche Lehrsammlung[17] nicht nur von physikalischen Instrumenten, sondern auch von Porträts,[18] Büchern,[19] Druckgraphiken, Zeichnungen,[20] Münzen und Naturalien.[21]
Anmerkungen
[1] Vgl. Christiano Casalini, Rise, Character, and Development of Jesuit Education: Teaching the World, in: Ines G. Županov (Hrsg.), The Oxford Handbook of the Jesuits, April 2018 (Online-Version); URL: http://www.oxfordhandbooks.com/view/10.1093/oxfordhb/9780190639631.001.0001/oxfordhb-9780190639631-e-7?rskey=WsmZa4&result=1 (28.07.2019). Siehe auch John O’Malley (Hrsg.), The Jesuits: Cultures, Sciences, and the Arts 1540–1773, Toronto 2000.
[2] Vgl. dazu zum Beispiel Gerd Schwerhoff, Köln im Ancien Régime (Geschichte der Stadt Köln 7), Köln 2017, S. 304–317; Götz-Rüdiger Tewes, Das höhere Bildungswesen im alten Köln. Zu den Bursen und Gymnasien der alten Kölner Universität, in: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (Hrsg.), Bildung stiften, Köln 2000, S. 8–33, hier: S. 31f.
[3] Vgl. Karl Hengst, Jesuiten an Universitäten und Jesuitenuniversitäten. Zur Geschichte der Universitäten in der Oberdeutschen und Rheinischen Provinz der Gesellschaft Jesu im Zeitalter der konfessionellen Auseinandersetzung, Paderborn / München 1981, S. 99–109; Heinrich Rößeler, Das Gymnasium Tricoronatum von 1552 bis zur Französischen Revolution, in: Dreikönigsgymnasium Köln (Hrsg.), Tricoronatum. Festschrift zur 400-Jahr-Feier des Dreikönigsgymnasiums, Köln 1952, S. 24–40, hier: S. 24–35; Joseph Kuckhoff, Die Geschichte des Gymnasium Tricoronatum. Ein Querschnitt durch die Geschichte der Jugenderziehung in Köln vom 15. bis zum 18. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Rheinischen Museums in Köln 1), Köln 1931, S. 88–110.
[4] Vgl. Augustín Udías, Jesuit Contribution to Science. A History, Cham u. a. 2015, S. 1–16; Hengst, Jesuitenuniversitäten (wie Anm. 3), S. 53–72.
[5] Vgl. Gunter Quarg, Naturkunde und Naturwissenschaften an der alten Kölner Universität (Studien zur Geschichte der Universität zu Köln 14), Köln u. a. 1996, S. 2; Hengst, Jesuitenuniversitäten (wie Anm. 3), S. 109.
[6] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 5), S. 23–25. Siehe dazu auch Dagmar Mrozik, The Jesuit Science Network. A digital Prosopography on Jesuit Scholars in the early modern Science, Phil. Diss. Wuppertal 2018, S. 41–58; Udías, Contribution to Science (wie Anm. 4), S. 9–12; Hengst, Jesuitenuniversitäten (wie Anm. 3), S. 66–72.
[7] Vgl. Udías, Contribution to Science (wie Anm. 4), S. 1–50.
[8] Vgl. dazu zum Beispiel Floris Cohen, Die zweite Erschaffung der Welt. Wie die moderne Naturwissenschaft entstand, Frankfurt am Main 2010.
[9] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 5), S. 91–100; Udías, Contribution to Science (wie Anm. 4), S. 35–40. In der Veröffentlichung Principia Mathematica aus dem Jahr 1687 bewies Isaac Newton anhand der Gravitationslehre unter anderem eindeutig das heliozentrische Weltbild, das bereits fast 150 Jahre zuvor von Nikolaus Kopernikus konstatiert worden war.
[10] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 5), S. 61–65.
[11] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 5), S. 25–27.
[12] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 5), S. 106–109.
[13] Vgl. Quarg Naturkunde (wie Anm. 5), S. 122.
[14] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 5), S. 3–5 und S. 120–133; Kuckhoff, Gymnasium Tricoronatum (wie Anm. 3), S. 573–575.
[15] Vgl. Jahresbericht, 1754. In: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 223 (Jesuiten), A 12 (Jahresberichte des Kölner Kollegs – 1675–1754 (1761)), fol. 267r. Zur Vorstellung eines Musaeum als frühneuzeitliches Studierzimmer siehe Angela Mayer-Deutsch, Das Musaeum Kircherianum. Kontemplative Momente, historische Rekonstruktion, Bildrhetorik, Zürich 2010, S. 86.
[16] Vgl. Kuckhoff, Gymnasium Tricoronatum (wie Anm. 3), S. 595; Frank Brill, Das optisch-physikalische Kabinett des Tricoronatums, in: Dreikönigsgymnasium Köln (Hrsg.), Tricoronatum. Festschrift zur 400-Jahr-Feier des Dreikönigsgymnasiums, Köln 1952, S. 118–121, hier: S. 120.
[17] Bekanntlich wurde ein großer Teil der Jesuitensammlung von den Franzosen 1794 nach Paris in den Louvre gebracht. Die Objekte des Physikalischen Kabinetts verblieben dagegen unangetastet in Köln. Zum Kunstraub in Köln und dem Raub am ehemaligen Kölner Jesuitenkolleg siehe zum Beispiel Bénédicte Savoy, Kunstraub. Napoleons Konfiszierungen in Deutschland und die europäischen Folgen, Wien / Köln / Weimar 2011, S. 25–64, vor allem: S. 47–50.
[18] Vgl. Rita Wagner, „Hier van Godt allein die Ehre.“ Die Porträts des Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds, in: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (Hrsg.), Bildung stiften, Köln 2000, S. 100–119.
[19] Vgl. Wolfgang Schmitz, Die Kölner Gymnasialbibliothek. Buchbestände und Handschriften aus sechs Jahrhunderten, in: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (Hrsg.), Bildung stiften, Köln 2000, S. 84–93.
[20] Vgl. Christoph Bellot, Für Auge und Verstand. Grafische Sammlung und physikalisches Kabinett des ehemaligen Kölner Jesuitenkollegs, in: Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds (Hrsg.), Bildung stiften, Köln 2000, S. 120–147; Claudia-Alexandra Schwaighofer, col. – „ENVOI de COLOGNE“. Die Graphische Sammlung des ehemaligen Kölner Jesuitenkollegs in Paris, unveröffentlichtes Manuskript, München 2011, S. 33–46; Claudia-Alexandra Schwaighofer, Die druckgraphische Sammlung des ehemaligen Kölner Jesuitenkollegs, in: Markus A. Castor u. a. (Hrsg.), Druckgraphik. Zwischen Reproduktion und Invention (Passagen 31), Berlin / München 2010, S. 393–402; Dietmar Spengler, spiritualia et pictura. Die Graphische Sammlung des ehemaligen Jesuitenkollegs in Köln. Die Druckgraphik, Köln 2003.
[21] Vgl. Gunter Quarg, Naturwissenschaftliche Sammlungen in Köln, in: Hiltrud Kier / Frank-Günter Zehnder (Hrsg.), Lust und Verlust. Kölner Sammler zwischen Trikolore und Preußenadler, Köln 1995, S. 315–321, hier: S. 316. Das summarische Verzeichnis der Möbelen von 1774 nennt ein Natural Zimmer, in dem Münzen, Mineralien, Fossilien, zoologische und biologische Objekte aufbewahrt wurden. Vgl. Verzeichnis der Möbelen, 1774. In: Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 40 (Kirchensachen), A 17 (Verschiedenes - 1774–1777), fol. 3r.