Mit Kramps Leitung des Physikalischen Kabinetts ging eine Modernisierung des Sammlungsbestands einher. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Donnerhäuschen nach Lind. Es handelt sich dabei um ein ca. 30 cm hohes hölzernes Modellhaus in naturalistischer Backsteinoptik. Mit diesem Haus konnten elektrische Versuche zur Funktion des Blitzableiters durchgeführt werden. Dabei wurde elektrische Ladung über die Messingkugel auf dem Dach durch Kabel in das Haus geleitet und wahlweise geerdet oder auch nicht, um die Auswirkungen eines Blitzes zu demonstrieren. Das Donnerhäuschen gehörte dem naturwissenschaftlichen Bereich der Elektrizität an, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts sowohl in Wissenschaft und Lehre als auch in der Sammlung stark an Bedeutung gewann.[11] Zwar hatte es bereits in jesuitischer Zeit zwei vollständige Elektrisiermaschinen im Kolleg gegeben,[12] doch erst durch die Ankäufe der Instrumente aus Straßburg wurde die Elektrizitätslehre im Physikalischen Kabinett mit 120 Objekten die quantitativ zweitgrößte und darüber hinaus „wichtigste und zukunftsträchtigste Teildisziplin der Physik im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert“[13]. Durch die Erweiterung um elektrische Spezialinstrumente wurde das Kölner Kabinett deutlich moderner und konnte vor allem deswegen zu einem der führenden Kabinette im Frankreich des beginnenden 19. Jahrhunderts werden.[14] Ohne diese elektrische Abteilung wäre Georg Simon Ohm wohl 1817 nicht nach Köln gekommen und hätte sein Ohmsches Gesetz vielleicht an einem anderen Ort entwickelt.
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„Viennent ensuite les sciences plus élevées des Mathématiques, de la Chymie et de la Physique expérimentale. C’est ici, citoyens, le plus beau triomphe de l’esprit humain en général, et du dix-huitième siècle en particulier.“[15] Kramps Worte machen die Bedeutung deutlich, welche den Naturwissenschaften zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den Franzosen beigemessen wurde. Diese Wertschätzung zeigte sich auch in der Förderung des Physikalischen Kabinetts. Die französische Zeit mit ihrem Protagonisten Kramp muss als Höhepunkt innerhalb der Sammlungsgeschichte herausgestellt werden. Beim Übergang in die preußische Verwaltung wurde schließlich ein Bestand von bis zu 1.000 Objekten verzeichnet.
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Blickt man über den regionalen Zusammenhang hinaus, lässt sich feststellen, dass das Kölner Kabinett mit anderen naturwissenschaftlichen Sammlungen der Zeit quantitativ und qualitativ ohne Weiteres konkurrieren konnte. Die großen Sammlungen (protestantischer) Universitäten wie zum Beispiel Leipzig oder Göttingen waren Anfang des 19. Jahrhunderts noch im Aufbau begriffen.[16] In Göttingen wurde erst Ende des 18. Jahrhunderts eine naturwissenschaftliche Sammlung angelegt, die in Form von Experimenten in die Lehre eingebaut wurde. Dort hatte der bedeutende Physikprofessor Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799), dessen Lehrwerke auch im Gymnasium Tricoronatum benutzt wurden,[17] zunächst privat eine Sammlung zusammengetragen, bevor diese im 19. Jahrhundert an die Universität überging. Der Kölner Instrumentenbestand war demnach zu Beginn des 19. Jahrhunderts sogar größer als in Göttingen.[18]
Anmerkungen
[1] Christian Kramp, Discours prononcé au Temple Decadaire à la Fête de la fondation de la République, le premier Vendémiaire de 1'An VIII; lequel a précédé la distribution des prix décernés aux Elèves de l'Université de Cologne organisée en École Centrale, Köln 1799, S. 11. „[…] Un Cabinet de Physique, complet dans toutes ses parties.“
[2] Vgl. Gunter Quarg, Das Physikalische Kabinett und der Physik-Unterricht in Köln von der Gründung der Ecole Centrale 1799 bis zum Ende der Franzosenzeit 1814, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 65 (1994), S. 113–136, hier: S. 117.
[3] Kramp, Discours (wie Anm. 1), S. 11.
[4] Quarg, Kabinett (wie Anm. 2), S. 118.
[5] Vgl. Gunter Quarg, Naturkunde und Naturwissenschaften an der alten Kölner Universität (Studien zur Geschichte der Universität zu Köln 14), Köln u. a. 1996, S. 203f.
[6] Vgl. Brief Christian Kramps an die Kollegen der Zentralschule, 1799. In: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 241, 015 Regierungskommissar Rudler, Sachakte Nr. 701, S. 213.
[7] Vgl. Klaus Pabst, Der Kölner Universitätsgedanke zwischen Französischer Revolution und Preussischer Reaktion (1794–1818), in: Ders. / Bernd Heimbüchel (Hrsg.), Kölner Universitätsgeschichte II. Das 19. und 20. Jahrhundert, Köln 1988, S. 1–100, hier: S. 39.
[8] Vgl. Quarg, Kabinett (wie Anm. 2), S. 120.
[9] Vgl. Quarg, Kabinett (wie Anm. 2), S. 117 und S. 119f. Quarg führt auf den S. 122–136 anhand der verschiedenen Rubriken des Inventars von 1801 (Link Inventar 1801) exemplarisch weitere Lehrstoffe und Experimente aus Examina auf, die mit dem Physikalischen Kabinett erarbeitet wurden; Inventar des Physikalischen Kabinetts, 1801. In: Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – AA 0633 Roerdepartement Nr. 108, fol. 25r–27v.
[10] Vgl. Quarg, Kabinett (wie Anm. 2), S. 131f.
[11] Vgl. Quarg, Kabinett (wie Anm. 2), S. 127–130.
[12] Vgl. Gunter Quarg, Die Sammlungen des Kölner Jesuitenkollegiums nach der Aufhebung des Ordens 1773, in: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 62 (1991), S. 153–173, hier: S. 172.
[13] Quarg, Kabinett (wie Anm. 2), S. 127.
[14] Vgl. Kramp, Discours (wie Anm. 1), S. 11.
[15] Kramp, Discours (wie Anm. 1), S. 4. „Danach kommen die höheren Wissenschaften der Mathematik, Chemie und Experimentalphysik. Dies ist, Bürger, der schönste Triumph des menschlichen Geistes im Allgemeinen und des achtzehnten Jahrhunderts im Besonderen.“
[16] Vgl. Quarg, Kabinett (wie Anm. 2), S. 118f.
[17] Vgl. Quarg, Naturkunde (wie Anm. 5), S. 118–120.
[18] Vgl. Friedrich Hund, Die Geschichte der Göttinger Physik (Göttinger Universitätsreden 80), Göttingen 1987, S. 33–39. Friedrich Hund hebt die positiven Anstöße hervor, welche die Franzosen der naturwissenschaftlichen Lehre an deutschen Universitäten zu Beginn des 19. Jahrhunderts gaben. Ab 1807 lehrte Carl Friedrich Gauß (1777–1855) an der Göttinger Universität Mathematik und Physik und leitete ab 1816 auch die ansässige Sternwarte. Dieser entwickelte die Sammlung entscheidend zu einer Forschungssammlung weiter. Hier lassen sich Parallelen zu Ohms Kölner Zeit erkennen.